Bisexualiät,  Polyamorie

Polyamorie und Bisexualität: Zurück in den Schrank?

Als ich parallel Menschen mehrerer Geschlechter gedatet habe, fühlte es sich oft so an als würden alle darauf warten, dass die Heterobeziehung gewinnt und die Bisexualität und Polyamorie als „Phase“ entlarvt. Ehe ich mich’s versah, wurde meine Queerness unsichtbar gemacht.


Wenn es um Polyamorie und Bisexualität geht, hört man schnell Bi+Aktivist*innen betonen, dass Bisexuelle treu sein können und nicht alle polyamourös sind. Das stimmt natürlich. Es ist das gleiche Myth-Debunking wie, wenn Bi+Aktivist*innen anmerken, dass nicht alle Bisexuellen promiskuitiv sind. Das kann man meiner Meinung nach schon machen, aber ich frage mich dann immer: Ist es nicht befreiender zu sagen: Manche von uns sind polyam, kinky, Swinger, promiskuitiv – na und?

Einen anderen Fokus hat Theresa in ihrem Text gewählt: Sie verneint die Vorurteile nicht, sondern vergleicht wie sich Bifeindlichkeit und Rhetoriken gegen Polyamorie ähneln. Beides wird durch die Vorstellung delegimitiert, dass irgendwann „der*die Richtige“ kommt und sich die Bisexualität wie auch die Polyamorie als „unreife Phase“ entpuppt. Ich finde diesen Ansatz sehr erfrischend und möchte daran anknüpfen. Ich sehe noch weitere Brüche und Leerstellen, über die man mehr sprechen könnte. Dazu gehört die Angst in den Schrank zurückgedrängt zu werden.

Gleiche Beziehungen in einer ungleichen Welt

Nehmen wir an, ich führe neben der Beziehung zu meiner Freundin noch eine Beziehung mit einem Mann. Sobald diese Beziehung ernst wird, werde ich meinen Partner meinem Umfeld vorstellen. (Ich hatte eine ähnliche Situation bereits gehabt.) Die Beziehung mit dem Mann wird vom heteronormativen Umfeld begrüßt: Im schlimmsten Fall wird die Beziehung mit meiner Freundin unter den Teppich gekehrt. Meine Familie ist insgeheim erleichtert, dass ich „wieder normal“ bin. All die Jahre, die ich damit verbracht habe für Akzeptanz zu kämpfen, lösen sich in Luft auf – schließlich ist jetzt ein Mann da.

An einer Beziehung hängt also mehr Queerfeindlichkeit und daher mehr Arbeit dran. Ich muss gleich drei Dinge verteidigen: Meine Bisexualität, meine Entscheidung polyamourös zu leben und die gesellschaftlich weniger akzeptierte Beziehung.

Es macht mich unglaublich traurig, dass ich mit einer Person all die Dinge, wie beispielsweise meine Oma besuchen, machen kann, auf die ich mit der längeren und stabileren Beziehung verzichten muss. Eine Partnerperson kann ich ohne Bedenken allen vorstellen, während meine Oma nicht weiß, dass meine Freundin überhaupt existiert. Die einzige Konsequenz, die ich daraus ziehen kann: Keine Oma-Besuche für niemanden, solange sie nicht für alle möglich sind.

Das beeinflusst natürlich, wie ich weitere Beziehungen zu Männern eingehe. Potentiellen Partnern muss dieses Ungleichgewicht bewusst sein und sie müssen damit leben können, dass bestimmte Dinge aus Prinzip nicht gehen und ich immer lauter für die Beziehung zu meiner Freundin einstehen werde. Diese Situation hatte ich zwar noch nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass es Probleme geben kann, wenn man eigentlich anstrebt die unterschiedlichen Beziehungen ohne Hierarchien zu gestalten. Auch, wenn ich Hierarchien vermeiden will, hierarchisiert die heterosexistische Gesellschaft meine Beziehungen. Um das zu verhindern, muss ich aktiv dagegen vorgehen.

Re-Closeting von Bisexuellen

Die Angst in den Schrank zurückgedrängt zu werden (auch „Re-Closeting“ genannt) ist eng verknüpft mit Bi-Erasure. Vor allem Bisexuelle, die in monogamen Heterokonstellationen leben, kennen Re-Closeting: Egal, wie sie sich identifizieren, sie werden immer als heterosexuell wahrgenommen. Das kann dazu führen, dass ihnen Supportstrukturen und Ressourcen verwehrt werden, sie keine queere Community haben, die sie auffängt, sie somit isolierter leben. Das alles kann ziemlich auf die Psyche gehen.

Re-Closeting kann auch Bisexuellen passieren, die polyam sind. Die queerer wahrgenommene(n) Beziehung(en) wird/werden unsichtbar gemacht: Das heteronormative Umfeld atmet auf, während die queere Community u. U. die Queerness und Zugehörigkeit der bisexuellen Person anzweifelt. Das kann vor allem dann ein Thema sein, wenn man zuvor nur in monogamen Homokonstellationen gelebt hat und in der queeren Community nicht als bisexuell geoutet war. Immer wieder höre ich Geschichten von Bisexuellen, die lange als lesbisch oder schwul gelebt haben, aber irgendwann in Heterokonstellation daten und dann ihre Szene-Credebility verlieren. Das gleiche kann auch polyamourösen Bisexuellen passieren. Bei monosexuellen, polyamourösen Menschen stellt eine weitere Beziehung keine Gefahr für die Legitimität der sexuellen Identität dar.

Moment mal, wird die eine oder der andere sagen, müssten mehrere Beziehungen mit Personen verschiedener Geschlechter die Bisexualität nicht eher „validieren“? Auf eine sehr oberflächliche Weise, ja: Es ist leichter einige Menschen so von der eigenen Bisexualität zu überzeugen, aber das ist nicht das gleiche wie Akzeptanz. Diese Menschen akzeptieren die Bisexualität nicht plötzlich, es fällt ihnen nur schwerer uns vorzuwerfen in Wahrheit homo- oder heterosexuell zu sein. Eventuell denken einige dieser Menschen, Bisexuelle seien nur glücklich, wenn sie gleichzeitig Personen mehrerer Geschlechter daten – damit ist auch keinem geholfen. Vor allem nicht polyamourösen Bisexuellen, die mehrere Menschen eines bestimmten Geschlechts daten. Man kann die sexuelle Orientierung eben nicht immer an den Partner*innen ablesen, auch nicht bei polyamourösen Bisexuellen!

Um Theresas Ansatz weiterzudenken: Es existiert der Druck, die Erwartung oder sogar Hoffnung seitens der heteronormativen und bifeindlichen Gesellschaft, dass die Beziehung in der Heterokonstellation „gewinnt“ und die Bisexualität und Polyamorie als „Phase“ entlarvt. Mit Support aus der queeren Community (ausgenommen die Bi+Community), kann man zudem nicht unbedingt rechnen. Das ist ein Problem. Darüber möchte ich mit anderen Bisexuellen und Polyams sprechen. Wie geht ihr damit um? Ich freue mich auf eure Kommentare!


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