Jemand hält ein BDSM-Halsband
BDSM,  Bisexualiät,  Kurzgeschichten,  Sexismus

scriptfehler (kurzgeschichte)


CONTENT WARNING: Es geht um BDSM und enthält einige sexuell-explizite Stellen. Außerdem behandelt es eine missglückte BDSM-Affäre, aufgrund von Sprachlosigkeit, Sexismus, fehlender Awareness.



ich drück mir die stöpsel tiefer in die ohren. der bus kommt, ich steige ein. song auswählen, den vom letzten mal, der die erinnerung frischer färbt. der bus fährt los. ich schaue auf mein handy. hausnummer 21, hat Er geschrieben. dort wohnt Sie. Ich bin nicht aufgeregt. kein bewusstes atmen gegen die angst vor dem mut. nur ein versinken in der bassline und sich erinnern an Seinen satz: küss Sie, dass Sie nicht mehr aufhören will und mein Sie-mustern und abstellen des strawberrydaiquiriglas. der dumpfe klang auf dem tisch, meine armbewegung kündigen eine neue szene an. ab hier kein zurück mehr, das wäre ein scriptfehler. ein luftholen gegen die angst vor dem mut. und dann die feine pinselführung, Ihr rot geschminktes lächeln. es schmeckt süßlich und schüchtern. Sie will nicht aufhören, ist es, die mich wild umschlingt, Ihre beine um mich schließt. ich schmecke den duft in Ihrem nacken, rosa und ein bisschen bordeaux. ziehe die linie Ihrer taille nach. fühl mich viel zu groß, mit meiner hand, die Ihre ganze brust bedeckt. bin der macker aus den filmen mit einer zierlichen lady auf dem schoß. bin breitbeinig und überfordert. geschlechtergrenzen im kopf verwischen. ich bin gleichzeitig. genieß unsere neugierigen finger. sehe Ihn, wie Er uns beobachtet, mit selbtgefälligem grinsen: der anfang ist gemacht, mit lesbenintro, jetzt gehts los. Er merkt nicht, dass ich schwul bin, als ich Ihn liebkose. bin wieder frau, als Er mich in die knie zwingt. submissiv, masochistin: Er zieht mir meine alte rolle an. zieht mich aus.

Er drückt mich aufs bett mit Seiner hand in mein haar gekrallt. Sie steht hinter Ihm, wartet auf anweisung. ich lass los, geb mich Seinen groben händen hin, die meine hinterm rücken festbinden. Sie soll mich schlagen, zögert, lächelt, ist verspielt und ohrfeigt mich. Ihr kuss wie eine entschuldigung, entlockt mir ein grinsen. Er hat mir die brille abgenommen. dicht vor meinem auge ist Ihr mund hochauflösend und zuckersüß die sommersprossen. die kulisse aus verlaufenen farben, weiß vorallem und orange. Sie löst sich in ihr auf, als Er Sie wegzieht, mit Ihr spielt. ich spiel mit, bin eifersüchtig, ungeduldig. Er knöpft sich mich vor: ohrfeigen, bisse, krallen, spuckt mir ins gesicht. bin nur noch fetisch, bin submissiv. löse mich auf in grimassen, schmerzhormonen, dem weich aus pseudosatin.

der bus ruckelt, ich fummel am wackelkontakt, warte auf den chorus.
Sie und ich gebückt nebeneinander. Sie grinst mich an, als Er Sie fickt. keucht mir in den mund. gleich bin ich dran. ich kenn diesen porno. kann ihm nichts abgewinnen, in realität. harter typ nimmt gleich zwei, darf gleic h zwei schlagen. darf uns auseinanderreißen, am ende knutschen wir für Ihn. Er verzieht keine miene, muss haltung bewahren. vor wem? die kamera schwebt über uns: ich bin zu fett, im vergleich zu Ihr. zu viel bauchschläuche und rote punkte und dellen. ich will mich nicht so sehen, will Sie nicht so sehen. so ist gescripteter sex, hat Er mal gesagt, auf mein ich-fühl-mich-unwohl. wie youporn und: ist halt so. dass ich raum brauche, für ruhe, nicht weiß wie, angst hab vor dem bruch im script. merkt er nicht, wie er nie etwas merkt. dass die rolle zu eng ist, in den seiten zwickt, die luft abschnürt, behalte ich für mich. ist halt so, denke ich.

Er nimmt sie härter ran. Sie schreit, verdreht die augen, grinst mich exibitionistisch an. ich blende ihn aus. ein warmer schauer in meinem nacken. was hast du denn, ist nur ein film, red ich mir ein, als Er hinter mir steht. im patriarchalem szenario, denk ich, als Er ihn einführt. kopf ausschalten, befehle ich mir und warte auf Ihren kuss. der rechte ohrhörer geht nicht mehr. neben mir getuschel. Er steht auf, macht frühstück. Sie rückt näher, küsst mich. Ihr auf welche weise in die augen sehen? streicheln ist einfacher als einander in die augen sehen. Sie seufzt, es war so schön. ich umarme Sie und die erinnerung an die nacht. dass Sie auf jeden fall bi ist, sich aber keine beziehung mit einer frau vorstellen kann. ich streiche Ihr über die wange. Sie ist ehrlich, denkt nichts böses. dass ich das nicht mehr hören will von einer frau, nicht nachdem wir letzte nacht sex hatten. dass ich nicht verstehe, warum das, wie ein vorbeugendes du-kommst-nicht-in-frage, ein normalität-wiederherstellen, behalte ich für mich. Sie hat einen schicken ikeakronleuchter, fällt mir auf. es war so schön, wiederholt Sie und ist ehrlich. frühstück ist fertig, wer macht kaffee? Er setzt sich aufs bett, neben uns. Sie löst sich aus meiner umarmung, stampft zur kaffeemühle. plötzlich eine lücke zwischen Ihm und mir, ein stück aufgewühltes laken. Er hat mir, ich hab Ihm nichts zu sagen. einander anschauen wäre geheuchelt. Sie fehlt, wie nähe, die fehlt.

ich greife nach dem käse. sie werfen sich bälle zu, mit brauchst-du-noch und nachher und kommst-du-morgen. sind aber kein pärchen. zwischen brötchen und schluck tee sagt sie, wir müssen öfter mit ihr schlafen, zwinkert mir zu. Er lächelt mich an und meint Sie.

die musik ist aus. ich roll die kaputten ohrhörer zusammen, steige aus. die hauptstraße runter denk ich an geschlechtergrenzen. denk mich dazwischen, als schwules mädchen, bi und tunte. ich biege ab. masochistin. die einzige, die er sieht. eine affäre im hintergrund, seit jahren. ich nehme ein bier in Seiner stammkneipe. wie’s mir geht. dass ich momentan ein problem hab, mit meinem körper, dass mich die blicke der typen von vorhin runterziehen. dass die typen sicher nicht meinen körper meinten, mein gesicht bloß hübsch fanden und so glotzen, weil so sind jungs in der pubertät, müssen haltung bewahren, ist halt so. Er weiß das, war ja auch mal pubertierend. dass Er relativiert, Sein du-hast-dich-nicht-verletzt-zu-fühlen, das scheiß-auf-deinen-körper-immerhin-dein-gesicht, ein lass-die-jungs-wollten-nur-männlich-sein, behalt ich nicht für mich. nehm einen großen schluck bier. Er weiß es besser, wo ich offene ohren brauche. merkt es nicht, wie er nie etwas merkt. ob ich an einer nummer zu dritt interessiert sei, fragt er ein bier später.

ich biege in die seitenstraße, laufe langsamer.
Er duscht, Sie wäscht ab. ich reiche Ihr das strawberrydaiquiriglas. die besten cocktails gibt’s am rosenthaler, sagt Sie. Ihre stammkneipe, die mit den platten an den wänden. ich stelle mir vor, nur wir beide und Ihr schmales lächeln, der rote lipgloss, ein orientierungspunkt im rauchnebel. male mir aus, wir finden einen platz mit sofa, fummeln an strohhalmen und sie beginnt zu erzählen. von ihrem lieblingsbuch oder wochenende, von klavierstunden, falls sie welche hatte, ihrem traumkerl oder neuen sommerkleid. wie leute reden, die sich kennenlernen, mit smalltalk. vielleicht auch mit augenzwinkern und einem kuss am mundwinkel, zum abschied.

Sie stellt das glas hin. es tropft auf die arbeitsfläche. ich biete an abzutrocknen. dass mein nagellack schön ist. fast die gleiche farbe wie ihrer, bordeaux mit rosa schimmer. Sie hält die hand neben meine. ich höre sie murmeln, als sie nach einem küchentuch sucht: das einzige, was wir gemeinsam haben.

ich bleibe vor der haustür stehen, seufze. aber das leichtfüßige durch-die-stadt-summen, am tag danach. der duft in Ihrem nacken. der duft in Ihrem schoß. und die nächte nur mit Ihm, seit jahren. ich setz mich auf die stufe vor die haustür, spiel mit den kaputten ohrhörern rum. denk an aufgewühlte laken. ich glotz auf meine füße. ob sie mich hier sehen könnten? drehe meinen kopf zum fenster, erahne den ikeakronleuchter hinter einem dünnen vorhang. ich stelle mir vor, sie warten und freuen sich und warten und trinken cocktails und ich geh nicht ans handy und denken: schisserin. ich höre mich murmeln, als mein handy vibriert: es ist besser zu gehen.

das aufstehen, der staub, den ich mir vom rock streiche, kündigen eine neue szene an. ab hier kein zurück mehr. ich glätte mein t-shirt, atme durch gegen die angst vor dem mut. das wäre ein scriptfehler.

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