Schatten
Abuse & Trauma,  Sexismus

Der Ex im Kopf

Auch Jahre nach meiner toxischen Beziehung, fühle ich mich nicht befreit: Der Gedanke beschäftigt mich immer noch, was mein Ex über mich denken könnte. Dagegen habe ich eine Strategie entwickelt.


Ich hab mich immer wieder gefragt, was das bedeuten soll „eine emanzipierte Frau“. Emanzipiert wovon, vom Patriarchat? Wie kann mensch von etwas emanzipiert sein, dass allgegenwärtig und scheiß-real ist? Ich kann mich sicherlich von einigen Aspekten emanzipieren, lernen mich für meinen Körper nicht mehr zu schämen, meinen eigenen Maßstab bestimmen, mir meine Freiräume schaffen, allerdings stecke ich mitten in dem patriarchalen System, bin in ihm sozialisiert worden und werde auch weiterhin Diskriminierung in ihm erfahren. Emanzipation verstehe ich als einen schmerzhaften und gleichzeitig bereichernden Prozess ohne Ende und das Bild von der „emanzipierten Frau“ ist vemutlich nichts anderes als der Versuch das Trugbild aufrecht zu erhalten, es gäbe soetwas wie die Aufhebung des Patriarchats, auch wenn es in Wahrheit nur ein paar Privilegien sind, die einigen weißen, heterosexuellen, bürgerlichen Cis-Frauen zugesprochen werden.

Ich saß eines nachts allein in der Küche und hab darüber nachgedacht, ob und wovon ich mich bereits emanzipiert habe, bzw. in dem Prozess vorangekommen bin. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass ich mich oft noch immer für meinen Körper schäme, mich noch immer nicht traue meinen eigenen Maßstab anzuwenden, noch immer die Klappe nicht aufkriege, wenn Cis-Macker raumeinnehmend werden. Allerdings ist allein schon ein Bewusstsein darüber, wie das Patriachat funktioniert und mich sozialisiert hat befreiend, denn ich nehme es längst nicht mehr als gegeben hin und einige Aspekte erscheinen mir nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Ich saß nun also da um drei Uhr morgens mit einer Kippe in der Hand und grübelte darüber nach, was mich momentan am meisten einschränkt und beschäftigt. Es ist die ständige Definition über den Mann: Sich über den männlichen Blick definieren, sich über männliche Maßstäbe definieren, aber auch sich über ganz konkrete Typen definieren, über den Vater, die Jungs-Clique oder den Partner. Das mit dem männlichen Blick und dem männlichen Maßstab kam mir ganz machbar vor, schwierig sicherlich, aber machbar, meinen Vater meide ich sowieso eher, eine Jungs-Clique hab ich nicht mehr und dann lief mir ein Schauer über den Rücken: der Ex-Freund.

Ich musste mir peinlich-ehrlich eingestehen, wie sehr er noch in meinem Kopf steckt, als irgendein Horrorbild, Anti-Ideal, als Antrieb sich zu beweisen, obwohl die Beziehung schon fast vier Jahre zurückliegt und wir null Kontakt haben. Mein Kopf hat sich eine Art Leitsatz zusammengeschustert: Handle immer nach derjenigen Maxime, durch die du sicher sein kannst, von deinem Ex-Freund die größtmögliche Irritation, Verachtung und Anerkennung zu erreichen. Ja, es ist paradox.

Er die arroganteste Person, die ich je kennengelernt hab. Ehrlich, dass ich mit so einem zusammen war, verursacht in mir ziemliche Identitätskonflikte. Wie auch immer, nun habe ich mir also aus Abscheu ihm gegenüber sowie dem aus der Beziehung verbliebenen Drang nach Wertschätzung eine „Maxime“ zusammengebaut, nach der ich handle. Nicht bewusst, es hat sich mit den Jahren so eingeschlichen, ich hab es schon oft reflektiert oder teilweise reflektiert, bin es jedoch nie losgeworden.

Wenn ich an Aktionen beteiligt bin, Blogtexte veröffentliche, Filme drehe oder auf Spoken-Word-Bühnen mit feministischen Texten auftrete, erwische ich mich oft beim tagträumen, wie er über gemeinsame Bekannte (oder die Presse :p) davon windbekommt und sich denkt: „Bäh, meine Ex-Freundin ist ja ne Feministin (geworden), wie widerlich!“ Dann hab ich das wohlige Gefühl im Bauch, alles richtig zu machen. Gleichzeitig stelle ich mir vor, wie er sich denkt: „Aber man muss ihr schon lassen: Sie ist ziemlich aktiv und kreativ und wirkt selbstbewusst, nicht so passiv wie damals!“ Ich verspüre noch immer diesen Drang in mir, dass er mich wertschätzt, was er in der Beziehung nie wirklich getan hat, als würde ich mich durch seine Anerkennung, trotz allem, aufwerten. Denn wenn Mr. Arroganz jemanden wertschätzt, dann muss diese Person schon ziemlich großartig sein! Mir ist klar, dass das Bullshit ist.

Ich hab dieses Dilemma in der Beziehung anscheinend nie verarbeitet – ganz egal, wer mir jetzt Wertschätzung zeigt, was für Beziehungen ich jetzt führe und wie ich mich selbst sehe. Es kommt immer wieder! Tagträume, in denen ich mich sehe, wie ich interviewt werde, weil ich mir z.B den Traum erfüllt habe einen feministischen Porno zu drehen oder eine schrille, queere Synthie-Pop-Band gegründet habe (kommt noch alles, ihr werdet sehen…) und mir ausmale, wie seine Mutter diese Sendung zufällig sieht, ihn anruft, und er den Fernseher einschaltet und Abscheu für das empfindet, was ich mache aber Respekt davor hat, weil es eine Sendung mit mir gibt. Ja, es sind ziemlich peinliche Tagträume, aber wer hat schon keine peinlichen Tagträume?

Aus der Fantasie, dass ihn meine Aktivitäten und Ansichten irgendwie ärgern oder anwidern könnten und aus der Fantasie, dass er mir einen gewissen Respekt entgegenbringen muss, weil ich konkret etwas erreicht hab, öffentlich auftauche und dafür von anderen anerkannt werde, habe ich mir unbewusst einen Antrieb und Motor für meine politischen und künstlerischen Aktivitäten errichtet. Auch wenn es bei weitem nicht der einzige Motor ist, tauchen diese Tagträume und Gedanken sehr oft auf. Meine politischen Handlungen sind also auf eine verzerrte Weise an den Maßstab meines Ex-Freunds gebunden! Wenn er eine politische Aktion schlecht, überflüssig, lächerlich findet, kann sie nur gut sein. Ich definiere mich also ständig über ihn, auch wenn ich ihm inzwischen ziemlich egal sein dürfte, er keinen Gedanken an mich verschwendet.

Als ich mir das so peinlich eingestanden hab, musste ich ziemlich schlucken. Mir ist klargeworden (bzw. ich hab es endlich ausformuliert), dass ich mich zuallererst davon befreien muss, dass seine Meinung über mich relevant ist, egal wie ich sie mir zurecht drehe oder sie für mich interpretiere. Erst wenn ich nicht mehr darüber nachgrüble, was er denken könnte, wenn er mich sehen würde, kann ich mich von irgendetwas anderem emanzipieren. Wie stelle ich das an? Sicher geht das nicht von heute auf morgen, sicher werde ich mich noch oft beim tagträumen erwischen. Aber tun wir so, als ginge das einfach. Kann ich mir das vorstellen? Ausmalen?

Ich werde mir jetzt neue Tagträume ausdenken und ab dem heutigen Tag werde ich nur noch diese träumen.

Ich werde also interviewt, weil ich einen Film gedreht, eine Band gegründet, eine Aktion gestartet hab oder es wird der Mitschnitt eines Spoken-Word-Auftritts von mir ausgestrahlt. Diese (Internet-)Sendung sieht ein_e Porno-Gegner_in und beginnt darüber nachzudenken, ob Pornographie auch anders denkbar ist, erkundigt sich im Netz über feministische Pornos, besorgt sich ein paar Filmchen und trifft mich auf dem nächsten Pornfilmfestival. Diese Sendung sieht ein_e Musiker_in mit ähnlichen Vorlieben und bekommt Lust etwas mit mir auf die Beine zu stellen, schreibt mit eine E-Mail und es entsteht ein spannendes Projekt.
Diese Sendung sieht ein_e politische Aktivist_in und schreibt mir eine konstruktive Kritik an meiner Aktion. Diese Sendung sieht ein 15-jähriges Mädchen und fühlt sich ermutigt ihre Texte aus der Schublade zu befreien und auf der Bühne vorzustellen.

Ab dem heutigen Tag sehen meine Tagträume, in denen ich mein Ego therapiere, so und nicht anders aus. Ab dem heutigen Tag schöpfe ich meinen Antrieb aus der Hoffnung auf Veränderung, aus dem Drang ein Thema sichtbar zu machen, aus der Wut auf Kackscheisse zu reagieren, aus dem Wunsch für die Wut ein Ventil zu finden, aus der Möglichkeit einen Freiraum zu erschaffen.

Heute ist das letzte Mal, dass ich auf diese Weise über meinen Ex-Freund nachdenke. Ab dem heutigen Tag sehe ich keine Notwendigkeit mehr über seine Meinung nachzudenken. Es ist das absolut letzte Mal, dass ich mich über seinen (damaligen) Blick auf mich und auf die Gesellschaft definiere.

Ich werde jetzt aufstehen und spazieren gehen und mit einer spontanen Kleinigkeit, vielleicht meiner Lieblingsschokoade, feiern, dass ich nun ein für alle mal davon losgelassen habe. In meinem Lächeln wird nur Ruhe sein, da ich genau und sicher weiß, dass diese Lästigkeit ab jetzt vorbei ist. Ich werde durch den Park laufen, vielleicht mit meiner Schwester bei einem Bier anstoßen, mir auf der Zuge zergehen lassen, dass es nun wirklich das allerletzte mal war, dass er mich in Tagträumen und Hamsterradgedanken geplagt hat. Ich werde den kühlen Wind im Park genießen und mich auf ein befreiteres Ich freuen.

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